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Ernährung: Wie viel Probiotika braucht der Mensch tatsächlich?

Joghurtbecher tragen es in großen Lettern auf dem Etikett, Nahrungsergänzungsmittel versprechen ein gestärktes Immunsystem, und selbst Schokolade gibt es mittlerweile in „probiotisch“. Doch was steckt wirklich dahinter?

Ist „probiotisch“ nur ein cleverer Marketingtrend, oder haben diese Mikroorganismen tatsächlich gesundheitlichen Nutzen? Ein Blick auf die Wissenschaft hinter dem Hype.

Was bedeutet „probiotisch“?

Der Begriff „probiotisch“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „für das Leben“. Gemeint sind damit lebende Mikroorganismen – meist Milchsäurebakterien und Bifidobakterien –, die unsere Darmflora positiv beeinflussen sollen. Doch während der Begriff mittlerweile auf unzähligen Produkten prangt, sind die Kriterien, die ein Lebensmittel tatsächlich „probiotisch“ machen, nicht immer klar definiert.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Probiotika als lebende Mikroorganismen, die dem Menschen gesundheitliche Vorteile bringen, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass ein Lebensmittel Bakterien enthält, sondern auch darauf, dass diese im Darm lebend ankommen und dort aktiv werden.

Warum sind Probiotika wichtig?

Der menschliche Darm ist ein hochkomplexes Ökosystem. Rund 100 Billionen Bakterien tummeln sich dort, mehr als die Körperzellen eines Menschen. Diese Darmflora übernimmt essenzielle Aufgaben: Sie hilft bei der Verdauung, produziert Vitamine, trainiert das Immunsystem und hält schädliche Keime in Schach. Gerät dieses Mikrobiom aus dem Gleichgewicht – etwa durch eine Antibiotikatherapie, Stress oder ungesunde Ernährung –, können Verdauungsprobleme, Infektionen oder sogar chronische Erkrankungen die Folge sein.

Hier kommen Probiotika ins Spiel. Studien zeigen, dass sie:

  • die Darmflora stabilisieren und unerwünschte Bakterien verdrängen können,
  • die Verdauung fördern und Blähungen oder Durchfall reduzieren,
  • das Immunsystem stärken, indem sie die Schleimhautbarriere des Darms verbessern,
  • Entzündungen reduzieren, was besonders bei Reizdarmsyndrom oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen helfen kann.

Doch wie groß ist der tatsächliche Nutzen?

Wo sind Probiotika enthalten?

Wer sich probiotisch ernähren möchte, muss nicht zwingend auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen. Die meisten natürlichen Quellen stammen aus der fermentierten Lebensmittelwelt:

  • Joghurt: Besonders Naturjoghurt mit aktiven Kulturen enthält viele probiotische Bakterien, vor allem Lactobacillus und Bifidobakterien.
  • Kefir: Eine wahre „Probiotika-Bombe“, die neben Milchsäurebakterien auch Hefe enthält und die Darmflora nachhaltig beeinflussen kann.
  • Sauerkraut und Kimchi: Beide enthalten natürliche Milchsäurebakterien – allerdings nur, wenn sie nicht pasteurisiert wurden.
  • Miso und Tempeh: Traditionelle asiatische Fermentationsprodukte auf Basis von Soja oder Getreide, die durch Bakterienkulturen entstehen.
  • Kombucha: Fermentierter Tee, der ebenfalls probiotische Mikroorganismen enthält.

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Beim Fermentationsprozess werden Lebensmittel durch Bakterien, Hefen oder Pilze umgewandelt, wodurch nicht nur Haltbarkeit und Geschmack verbessert, sondern auch probiotische Kulturen entstehen. Ob ein Produkt wirklich probiotische Wirkung entfaltet, hängt jedoch nicht nur vom Inhalt, sondern auch von der Menge und Art der enthaltenen Bakterien ab.

Haferflocken zum Beispiel selbst enthalten keine lebenden probiotischen Bakterien, sind aber eine hervorragende Unterstützung für Probiotika, weil sie als Präbiotikum wirken. Das bedeutet, sie liefern Nahrung für die guten Darmbakterien und fördern so das Wachstum und die Aktivität der probiotischen Mikroorganismen im Darm.

Wann Probiotika nicht sinnvoll sind

So vielversprechend die Forschung zu probiotischen Bakterien auch ist – sie sind kein Allheilmittel. In manchen Fällen können sie sogar kontraproduktiv sein.

  1. Nach Antibiotika – mit Bedacht
    Nach einer Antibiotikatherapie kann es sinnvoll sein, Probiotika zu sich zu nehmen, um die geschädigte Darmflora wieder aufzubauen. Doch Studien zeigen, dass manche probiotischen Präparate die natürliche Erholung des Mikrobioms sogar verzögern können, wenn sie in zu hohen Dosen eingenommen werden. Hier kann eine gezielte Auswahl sinnvoller sein als eine wahllose Einnahme.
  2. Bei immungeschwächten Personen
    Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem – etwa nach einer Organtransplantation oder einer Chemotherapie – sollten mit Probiotika vorsichtig sein. In seltenen Fällen können sie zu Infektionen führen.
  3. Nicht jede probiotische Bakterienart hilft jedem
    Es gibt tausende verschiedene Bakterienstämme, und nicht jeder wirkt gleich. Während bestimmte Lactobazillen helfen können, Durchfall zu lindern, sind andere besser für das Immunsystem geeignet. Wer gezielt probiotische Präparate nimmt, sollte sich vorher informieren oder ärztlichen Rat einholen.

Probiotika – nur ein Ernährungstrend?

Die Forschung zu Probiotika steckt noch in den Kinderschuhen. Während viele positive Effekte nachgewiesen wurden, bleibt die Frage: Wie viel Probiotika braucht der Mensch tatsächlich?

Die Wissenschaft ist sich einig, dass eine gesunde Darmflora enorm wichtig für die gesamte Gesundheit ist. Doch der beste Weg dahin ist nicht unbedingt der tägliche Griff zu probiotischen Kapseln oder mit Bakterien angereichertem Joghurt, sondern eine vielseitige, ballaststoffreiche Ernährung, die das natürliche Gleichgewicht des Darms unterstützt.

Denn so faszinierend Probiotika auch sein mögen – sie sind nur ein Puzzlestück in einem viel größeren Bild. Wer langfristig seinem Darm etwas Gutes tun will, sollte nicht nur auf lebendige Kulturen, sondern auch auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Vollkornprodukten und fermentierten Lebensmitteln setzen.

Dann braucht es auch keinen Joghurt mit „Extra-Probiotikum“ – denn die Natur hat längst vorgesorgt.

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