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Wie eine Hausfrau ein Milliarden-Imperium erschuf

Die Erfolgsgeschichte von Melitta Bentz beginnt unscheinbar: Anfang des 20. Jahrhunderts, in einer Vierzimmerwohnung in Dresden, experimentierte eine Hausfrau mit Hammer, Nagel und Löschpapier – und legte damit den Grundstein für ein Milliardenunternehmen.

Amalie Auguste Melitta Bentz, geboren 1873 als Tochter eines Buchhändlers, war unzufrieden mit dem damaligen Kaffeegenuss. Statt klaren Filterkaffee mussten sich die Menschen mit trüben, krümeligen Aufgüssen begnügen. Kurzerhand bohrte Bentz Löcher in eine Konservendose und legte Löschpapier aus dem Schulheft ihres Sohnes ein. Das Ergebnis: sauberer, gefilterter Kaffee – eine Revolution für den Frühstückstisch.

Der erste Filter – und der Schritt zur Firmengründung

Die Begeisterung im Freundeskreis war groß. Melitta Bentz meldete ihre Erfindung 1908 beim Patentamt an: ein Kaffeefilter mit gewölbtem Boden und schrägen Durchflusslöchern. Mit einem Eigenkapital von 72 Reichspfennigen gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann ein Unternehmen, das zunächst in einem Zimmer der Familienwohnung untergebracht war. Eine Westfälische Werkstatt lieferte die ersten Filterkörper, das Filterpapier kam aus Sachsen. Hugo Bentz demonstrierte den Apparat in Schaufenstern, die Kinder lieferten ihn per Bollerwagen aus.

Messeerfolg und wachsendes Geschäft

Bereits ein Jahr später präsentierte Melitta Bentz ihre Idee auf der Leipziger Messe – mit Erfolg. 1.200 verkaufte Filterapparate sorgten für überregionale Bekanntheit. Das Unternehmen expandierte: neue Produktionsflächen, mehr Mitarbeiter, Exportgeschäfte nach Tschechien und in die Schweiz. 1929 erfolgte der Umzug ins westfälische Minden – nicht zuletzt wegen Steuererleichterungen und wachsender Platzprobleme in Dresden.

Vom Start-up zum Großunternehmen

In Minden startete der Betrieb mit 85 Beschäftigten in einer ehemaligen Schokoladenfabrik. Der Sohn Horst Bentz übernahm die Unternehmensführung – und mit ihm begann ein dunkles Kapitel in der Firmengeschichte. Ab 1933 war er Mitglied von SS und NSDAP. Die Melitta-Werkzeitung hetzte offen gegen Jüdinnen und Juden, forderte Boykotte und drohte Mitarbeitern mit Konsequenzen beim Einkauf in jüdischen Geschäften. Das Unternehmen wurde zum „Nationalsozialistischen Musterbetrieb“ erklärt und setzte Zwangsarbeiter ein.

Aufarbeitung mit Lücken

Kritiker werfen Melitta vor, dieses Kapitel nur unzureichend aufgearbeitet zu haben. Beim 111-jährigen Jubiläum im Jahr 2019 fand die Zeit zwischen 1933 und 1945 nur knapp Erwähnung. Dabei war die Rolle des Unternehmens im Nationalsozialismus nicht nebensächlich. Statt Filterpapier produzierte man kriegsrelevante Güter.

Nach dem Krieg: Wiederaufbau und Kontinuität

Fünf Jahre nach Kriegsende starb Melitta Bentz. Ihr Erfindungsgeist blieb – ebenso wie das Unternehmen, das inzwischen global tätig ist. Mit rund 6.000 Mitarbeitenden auf fünf Kontinenten und einem Umsatz von 2,3 Milliarden Euro gehört Melitta heute zu den bekanntesten Namen der deutschen Haushaltsindustrie.

Filterkaffee bleibt ein deutscher Klassiker

Trotz Pads, Kapseln und Vollautomaten bleibt Filterkaffee in Deutschland beliebt. Laut einer Umfrage von Tchibo, Statista und „Brand eins“ trinken 66 Prozent der Deutschen regelmäßig klassischen Filterkaffee. Zum Vergleich: In Österreich sind es 30 Prozent, in Polen 28 Prozent, in Tschechien 19 Prozent und in der Schweiz nur 14 Prozent.

Ein Stück deutscher Alltagsgeschichte

Melitta Bentz hat mit ihrer Idee den Kaffeegenuss in Deutschland nachhaltig geprägt. Was mit einer simplen Konservendose begann, wurde zu einem Symbol deutscher Erfinderkunst – mit allen Höhen und Tiefen. Ihre Geschichte steht exemplarisch für den Weg von der Alltagsbeobachtung zur weltweiten Erfolgsgeschichte – und für die Verantwortung, die mit unternehmerischem Erfolg einhergeht.

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