Skip to content
Startseite » Die Persönlichkeit der Tiere

Die Persönlichkeit der Tiere

Hundehalter hatten nie daran gezweifelt: Immer schon hielten sie ihr Tier für besonders schlau, kühn oder gefügig. Forscher belächelten solche Beobachtungen lange, weil sie darin nur den verklärten Blick des Tierliebhabers sahen. Doch nun müssen sich die Wissenschaftler vom Volk belehren lassen. Immer mehr Studien belegen: Mäuse, Meerschweinchen, Schimpansen, Tüpfelhyänen, Braunbären, Schweine, Goldfische, aber auch Grillen, Echsen und Spinnen haben Persönlichkeit.

„Wir hatten Angst, zu sehr zu vermenschlichen. Deshalb hat man das Thema ein bisschen weggedrückt“, sagt Fritz Trillmich, Verhaltensforscher an der Universität Bielefeld. Ursprünglich gestanden die Philosophen nur dem Menschen Persönlichkeit zu. „Der Mensch ist auch in dieser Hinsicht nicht so außergewöhnlich“, räumt Trillmich mit überholten Vorstellungen auf.

Wenn Verhaltensforscher einer Spinne Persönlichkeit attestieren, beschränkt sich das allerdings auf sehr überschaubare Verhaltensweisen in Standardtests. Beispielsweise ihrem Auftreten gegenüber neuen Gegenständen: Erkundet der Achtbeiner diese ausgiebig oder schreckt er davor zurück? Aus solchen Beobachtungen entsteht ein Bild vom Wesen des Tieres. „Es muss durchgängig Verhaltensmerkmale zeigen, die immer wieder auftreten“, nennt Verhaltensbiologe Heiko Gödel von der Universität Bayreuth das Schlüsselkriterium für Persönlichkeit. So entdeckten die Forscher mutige und scheue Insekten, Vögel, Amphibien und Säugetiere.

Die Wissenschaftler treibt vor allem die Frage um, wie die individuellen Merkmale entstehen. „Ein Teil davon ist sicher genetisch bestimmt“, sagt Trillmich und verweist auf ein berühmtes Experiment des Niederländers Jaap Koolhaas von der Universität Groningen: Er konnte als erster zeigen, dass Unerschrockenheit bei Kohlmeisen auch vererbt wird. Mit Verhaltenstests trennte er mutige und schüchterne Vögel voneinander und vermehrte diese separat. So konnte er eine vorsichtige und eine kühne Meisenlinie züchten.

„Die Genetik kann aber unmöglich alle Verbindungen im Gehirn regeln, die Persönlichkeit ausmachen. Es ist ein System, dass auf Umwelt reagiert und sich selbst organisiert“, erklärt Trillmich.

Einen Umwelteinfluss kennen die Forscher schon: Die Gestalt des Tieres spielt eine entscheidende Rolle, entdeckte Heiko Gödel bei Kaninchen und Ratten. Tiere, die schon bei der Geburt schwerer waren, verhielten sich zeitlebens aggressiver und forscher, stellte der Wisschenschaftler fest. “ Wer schwer geboren wird, wächst besser und kann die schmächtigen Artgenossen leichter zur Seite drängeln. Er hat Erfolg.“, erklärt Gödel die Festigung dieses Charakterzuges.

Einen starken Einfluss haben außerdem Geschlechts- und Stresshormone, denen die Tiere im Mutterleib ausgesetzt sind. Jaap Koolhaas entdeckte bei den mutigen Meisen wesentlich mehr männliche Geschlechtshormone im Eidotter. Sie begünstigen ein selbstbewussteres Verhalten der Brut.

Trillmich vermutet, dass auch der Zeitpunkt der Geburt den Charakter prägt. „Wenn man ein halbes Jahr mit kargem Futter überleben muss, dann ist es sinnvoll, vorsichtig zu sein.“ Die zurückhaltenden Vögel setzten deshalb wieder zurückhaltende Jungtiere in die Welt.

Diesen Zusammenhang will der Bielefelder Verhaltensforscher nun an Meerschweinchen untersuchen.

Obwohl mutige Meisen mehr Nachwuchs durchbringen, sind sie nicht per se überlegen, stellt Trillmich klar. Alle Charakterzüge können je nach Situation Vorteile bieten. Weil das so ist, seien diese Merkmale im Laufe der Evolution nie verschwunden. In bewährten Situationen profitieren die Draufgänger. In einer neuen Umgebung haben die Vorsichtigen die Nase vorn, weil sie diese aufmerksamer erkunden und flexibler reagieren. „In einer Umwelt, in der alle freundlich sind, kann es sich lohnen, aggressiv zu sein“, ergänzt Trillmich. Dies sei in großen Würfen zu beobachten. „Die Geschwister suchen sich charakterliche Nischen, in denen sie gut zurechtkommen.“ So findet neben dem frechen Ferkel am ehesten ein gehorsames Schweinchen seinen Platz.

Tags:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.