Eine Hand voll Weißkohl, eine Prise Salz, und einen luftdicht abschließenden Gärtopf – mehr braucht man nicht, um leckeres Sauerkraut zu machen. Das wussten schon unsere Urgroßmütter und deren Mütter.
In den Regalen der Supermärkte stapeln sich seit jeher Dosen und Gläser mit Sauerkraut. Bei industriell hergestellten Produkten fehlen aber oft wertvolle Inhaltsstoffe. Der Grund: Das Sauerkraut wird zweimal stark erhitzt: Zuerst bei 80 Grad blanchiert, danach bei 94 Grad pasteurisiert, um die Konserve für mindestens vier Jahre haltbar zu machen. Dadurch verliert das Sauerkraut 60 Prozent seiner Inhaltsstoffe – vor allem hitzeempfindliche Vitamine und die wichtige Milchsäure.
Salz ist entscheidend
Bei der manuellen Fertigung gibt es das nicht. Die äußeren und meist verschmutzten Blätter werden entfernt und der Strunk herausgeschnitten. Dann wird der Kopf mit dem Kohlhobel in feine, einen Millimeter breite Streifen zerkleinert. Dafür kann man auch eine Brotschneidemaschine nehmen, man muss nur die Schnittbreite auf einen Millimeter einstellen. Die Kohlschnitzel werden dann mit Salz vermischt, neun Gramm auf ein Kilo Kohl. Mit diesem Anteil erzielt man den höchsten Milchsäureanteil im Sauerkraut. Wenn man mehr Salz zugibt, hat man einen Pökeleffekt.
Starterkulturen, ob Brottrunk, Molke oder ein Produkt auf Hefebasis, haben bei der Sauerkrautproduktion nichts zu suchen. Sie verändern den Geschmack des fertigen Produkts. Ebenso Gewürze wie Piment oder Wacholder. Die können sogar alles verderben, weil sich Essigsäure bilden kann.
Jetzt muss die Kohl-Salz-Mischung nur noch randvoll in ein luftdicht verschlossenes Glas gestampft werden, wo sie sich selbst konservieren soll. Gekühlt ist das gärfrische Sauerkraut mindestens ein halbes Jahr haltbar.
Kurzreportage: Verwandlung vom Kohlkopf zum Sauerkraut dauert zwei Wochen
In einer schier endlosen Schlange rumpeln die weißen Kohlköpfe auf dem Förderband in den Produktionsbereich der Firma Paulsen im niedersächsischen Otterndorf. Bis Ende der Kohlernte Mitte November herrscht Hochsaison: Jeden Tag liefern die Vertragslandwirte aus der Umgebung bis zu 150 Tonnen Weißkohl. Das bedeutet: Jeden Tag wandern ungefähr 30.000 Kohlköpfe über die Bänder allein dieser Firma ihrer Verwandlung entgegen.
Per Hand wird aus den Kohlköpfen der holzige Strunk ausgebohrt, dann werden sie geputzt, gesäubert und geschnitten. Die feinen Streifen werden zusammen mit einem Prozent Salz in große Bottiche gefüllt und luftdicht verschlossen. Dann wird der Deckel beschwert. Das Salz und der zusätzliche Druck brechen die Zellen auf und lassen Zellsaft austreten. Er füllt die Zwischenräume zwischen den Schnitzen, verdrängt die Luft aus dem Gärbehälter und bildet den Nährboden für Milchsäurebakterien. Sie verwandeln den Fruchtzucker in Milchsäure und machen das Sauerkraut damit auf natürliche Art haltbar. Innerhalb von nur zwei Wochen ist aus Weißkohl Sauerkraut geworden – ganz ohne Zugabe von Chemikalien.
Das Einsäuern von Weißkohl war bereits zu Zeiten des griechischen Arztes Hippokrates im 4. Jahrhundert v. Chr. bekannt. In der Antike galt frischer und gesäuerter Kohl eher als Heil- denn als Nahrungsmittel. In Deutschland wurde Sauerkraut erstmals im ausgehenden Mittelalter von Mönchen zubereitet und vor allem für Fasten längst als Nationalgericht der Deutschen.Traditionell wird es zu deftigen Speisen genossen.