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Pfarrer zu Allerheiligen: „Eigentlich falsch, auf den Friedhof zu gehen“

Es ist wieder die Zeit der Übergänge – von Oktober auf November, vom Licht ins Dunkle. Und da steckt mehr dahinter. Reformationstag, Halloween, Allerheiligen, Allerseelen. Was bedeutet das: religiös, seelisch, aber auch ganz irdisch?

Auf den evangelischen Reformationstag am 31. Oktober (Feiertag in 9 Bundesländern) folgt am nächsten Tag Allerheiligen in katholisch geprägten Regionen und dann Allerseelen.

Innere Einkehr

Der Geistliche Jürgen Fliege beschreibt es so: Die Menschen gehen nun in der dunklen Jahreszeit „einen seelischen Weg“. Sie gingen den Weg der inneren Einkehr: „Halloween, der Abend vor dem Allerheiligen-Fest, da machen sie aus kultischer und keltischer Tradition sozusagen das alte Fass auf. Sie sagen: Jetzt ist nicht mehr Zeit zu flirten und zu blühen wie im Sommer, jetzt ist es Zeit, dass wir zu den Wurzeln zurückkehren, auf die Friedhöfe gehen, gucken, wie ist es mit Vater und Mutter und Großeltern, habe ich da ein Gefühl?“

Religion zu entdecken bedeute, die eigenen Wurzeln zu entdecken. Und das sei nur über die eigenen Vorfahren möglich, sagt der pensionierte Pfarrer in einem Interview im Kontrafunk. „Deswegen sieht man die Menschen an Allerheiligen zwar nicht in den Kirchen, aber auf den Friedhöfen“, so Jürgen Fliege. „Da gehen sie nochmal ganz still zu ihren Vätern und Müttern und gehen damit einen spirituellen Weg – immer weiter zurück in ihre Familien, bis sie an Heiligabend angekommen sind. Und da kommen sie als Kinder an und danken für ihr Leben. Das steckt eigentlich hinter all diesen Geschenken.

Die äußeren Reize werden weniger

Wie alt man auch immer geworden sei – zurückzukehren zu seiner Ursprungsfamilie „ist in unserer Zeit, in der wir auf tausend Stimmen hören müssen, die uns das Neueste und das Wichtigste erzählen wollen, für das eigene Menschsein existenziell. Deshalb ist die Zeit der Dunkelheit dasselbe wie die Nacht. Wer keine Nacht im Rücken hat, taugt nichts am Tag. Jetzt steigen wir ein, uns selbst kennenzulernen und nicht mehr auf dem Tanzboden der Ablenkungen unterwegs zu sein. Deshalb ist es wichtig, in der Dunkelheit nach dem Licht zu suchen und sich nicht zu fürchten“, sagt Jürgen Fliege, der früher in der ARD eine eigene Sendung hatte.

Was ist an Allerheiligen und Allerseelen?

Und weiter: „Wir gehen oft an Allerheiligen auf die Friedhöfe, die Evangelen machen das langsam den Katholiken nach, und treten vor ihre Väter und Mütter und vielleicht Kinder, die sie verloren haben. Aber eigentlich ist es ein Tag, an dem man sich umschauen sollte und sich fragen: Was gibt es eigentlich für einen Heiligen in meinem Leben? Allerheiligen – die verehren wir. Und das muss ja keiner der Kirche sein. In dieser Dunkelheit – wer ist denn bei mir? Wer gibt mir Orientierung? Zu den Väter, Müttern, Großvätern und Großmütter geht man eigentlich erst an Allerseelen – einen Tag später.

An Allerheiligen schaut man in den Himmel, an Allerseelen geht man zu seiner Familie.“

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