Die Entscheidung für eine gemeinsame Wohnung bedeutet vor allem sich klar zueinander zu bekennen. Das Zusammenziehen fällt Paaren so schwer, weil die Ansprüche, aber auch der Leistungsdruck heute enorm gestiegen sind.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war Heiraten, Zusammenziehen und Kinderkriegen eins. Man ging das recht blauäugig an und wusste oft nicht, worauf man sich einließ. Das war natürlich nicht immer positiv.
Doch heute beobachtet man genau das Gegenteil: Viele zögern endlos lange, weil sie glauben, es könnte ja noch etwas Besseres nachkommen.
Sie wollen sich, ziemlich egoistisch, alle Optionen offen halten. Vor lauter Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, legen sie sich überhaupt nicht fest.
Ist die Unentschlossenheit eher eine Typfrage oder deutet sie auf ein Problem in der Beziehung hin?
Es kann beides sein. Sicher ist es eine Typfrage, wenn es in der frühen Kindheit zu viel Nähe gab. Konkret: Wenn die über alles liebende Mutter ihren Sohn nicht loslässt. Aus Angst wieder vereinnahmt zu werden, hat er Probleme mit zu viel Nähe und hält lieber Distanz. Manchmal ist es auch eine Frage der Beziehung: Wenn jemand die Veränderung grundsätzlich ablehnt, ist er wohl nicht überzeugt, dass dieser Partner der richtige für ihn ist.
Beim Zusammenwohnen wird klar, wo es langgeht: entweder es klappt oder man muss sich trennen?
So ist es. Manche Paarehalten ihre Beziehung nur dadurch aus, weil sie eben nicht zusammen wohnen. Eigentlich wäre längst eine Trennung fällig, doch es läppert sich weiter hin. Zusammen wohnen bedeutet, sich zu bekennen. Mit dem Risiko, dass es nicht funktioniert. Doch die intensiven Erfahrungen, die man beim gemeinsamen Wohnen macht, sind nicht verloren. Im Gegenteil: Sie sind äußerst hilfreich für spätere Beziehungen.
Wo lauert das Konfliktpotenzial zwischen Männern und Frauen?
In den tradierten Verhaltensmustern der Geschlechter. Männer, und zwar auch die ganz jungen, sehnen sich nach Sicherheit und Versorgung. Wenn sie nach Hause kommen, soll jemand da sein, der die Wohnung in Ordnung gebracht hat und mit dem Essen wartet. Gegen diesen Anspruch müssen sich die Frauen zur Wehr setzen. Sie haben oft große Angst, ihre mühsam errungene Freiheit wieder zu verlieren. Ihre Vorbilder waren ja häufig noch die fürsorglichen Hausfrauen. Und so sind sie nicht gefeit dagegen, wieder in diese Rolle hineinzurutschen.
Wie können die Partner dem entgegnen?
Beim Zusammenleben muss es klare Absprachen geben, die immer wieder neu hinterfragt werden können. Sie sind wichtig, um in Kontakt zu bleiben. Gleich zu Beginn sollte man eine Liste mit allen Abmachungen aufstellen: Wie wird der Haushalt versorgt, wie regeln wir das Finanzielle, wie gehen wir mit Besuch um und so fort. Wenn man das in Krisenzeiten auseinander fisseln muss, wird es viel schwieriger. Mit diesen fixierten Regeln kann man späteren missmutigen Stimmungen entgehen. Grundsätzlich gilt: Auch kleine Konflikte sollen auf den Tisch gebracht werden und nicht im Bett ausgetragen werden. Das ist der falsche Kampfplatz.
Bei all den Problemen: Worin liegt der Vorteil des Zusammenlebens?
Es gibt dem Paar die Chance, sich weiterzuentwickeln. Wer es schafft, den Alltag gemeinsam zu bewältigen, wächst in eine neue und reifere Beziehungsebene. Für die Liebe ist das ein wichtiger Schritt. Die Sonntagsbeziehungen entsprechen nicht der Realität.
Gibt es einen optimalen Zeitpunkt, um zusammenzuziehen?
Ja, den gibt es. Sobald man ernsthaft darüber nachdenkt, gemeinsam zu wohnen, sollte man es einfach auch wagen. Entscheidend ist, in der Sache – bei aller Wichtigkeit des Themas – locker zu bleiben und sich nicht mit unbestimmten Ängsten schon im Vorfeld selbst zu blockieren. Das Zusammenleben ausprobieren zu können ist nicht nur ein Risiko, sondern doch vor allem eine tolle Chance. Wer immer nur zögert und zögert, trifft letztendlich ja auch ein Entscheidung. Und zwar gegen die Beziehung.