Wer in Deutschland heiratet, sollte wissen: Eine Ehe lässt sich nicht einfach „annullieren“. Das Wort hält sich zwar hartnäckig, doch rechtlich gibt es diese Möglichkeit seit mehr als 25 Jahren nicht mehr. Wer sich von seinem Partner trennen will, kann sich entweder scheiden lassen – oder in bestimmten Ausnahmefällen eine Aufhebung der Ehe beantragen.
Bis 1998 war es möglich, eine Ehe rückwirkend für nichtig erklären zu lassen – also so, als hätte sie nie existiert. Diese Form der Annullierung wurde jedoch abgeschafft. An ihre Stelle trat die Aufhebung nach § 1314 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sie ähnelt in ihren Folgen der Scheidung, hat aber andere Voraussetzungen.
Bei einer Scheidung gilt die Ehe erst ab dem Urteil als beendet. Bei der früheren Annullierung wäre sie dagegen als nie geschlossen betrachtet worden. Heute können Ehen nur noch gerichtlich aufgehoben oder geschieden werden.
Wann eine Ehe aufgehoben werden kann
Eine Aufhebung kommt nur in Ausnahmefällen infrage – etwa wenn die Ehe unter falschen Voraussetzungen geschlossen wurde. Das Gesetz nennt unter anderem:
- Arglistige Täuschung, etwa durch Heiratsschwindel, wenn der Partner nur aus finanziellen Gründen oder zur Erlangung eines Aufenthaltstitels heiratet.
- Zwangsheirat, wenn einer der Partner zur Eheschließung gedrängt oder bedroht wurde.
- Scheinehe, bei der von vornherein kein echter Wille zum gemeinsamen Leben besteht.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss das Familiengericht prüfen. Häufig werden dazu Gutachter bestellt oder Zeugen gehört, um die Glaubwürdigkeit der Angaben zu bewerten.
Unterschied zur Scheidung
Eine Scheidung setzt in der Regel ein Trennungsjahr voraus. Nur bei einer sogenannten Härtefallscheidung kann ein Gericht sie sofort aussprechen – etwa bei Gewalt oder schwerer seelischer Belastung.
Für eine Aufhebung ist kein Trennungsjahr nötig. Sie setzt aber zwingend voraus, dass einer der oben genannten Gründe vorliegt und fristgerecht geltend gemacht wird. Die Fristen sind je nach Fall unterschiedlich. Wer beispielsweise erst später erfährt, dass er getäuscht wurde, muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Täuschungsgrundes handeln.
Kosten und rechtliche Folgen
Finanziell unterscheidet sich die Aufhebung nicht von einer Scheidung. Die Kosten richten sich nach dem Verfahrenswert, der sich aus dem Nettoeinkommen beider Ehepartner über drei Monate ergibt. Daraus errechnen sich die Gerichts- und Anwaltsgebühren.
Auch die rechtlichen Konsequenzen ähneln der Scheidung: Es gelten Regelungen zu Unterhalt, Versorgungsausgleich, Erbrecht und Krankenversicherung. Die Aufhebung beendet also die Ehe mit Wirkung für die Zukunft – nicht rückwirkend.
Kirchliche Ehen: Wann eine Annullierung möglich ist
Anders sieht es im kirchlichen Recht aus. In der römisch-katholischen Kirche kann eine Ehe von einem Kirchengericht für ungültig erklärt werden. Das Verfahren betrifft jedoch ausschließlich die kirchliche Eheschließung und hat keine rechtliche Wirkung im staatlichen Sinne.
Ein solcher Schritt ist vor allem für Katholiken relevant, die nach einer Scheidung erneut kirchlich heiraten möchten. Eine Ehe kann kirchenrechtlich für nichtig erklärt werden, wenn etwa die Trauung ohne Zeugen erfolgte oder einer der Partner von Beginn an die Unauflöslichkeit der Ehe ablehnte.
Wann eine Ehe von Anfang an ungültig ist
Unabhängig von Scheidung oder Aufhebung kann eine Ehe in seltenen Fällen von vornherein als Nichtehe gelten. Das betrifft Eheschließungen, die gravierende rechtliche Mängel aufweisen – etwa Kinderehen, Ehen ohne gültiges Jawort oder wenn die Eheschließung nicht von einer zuständigen Behörde vorgenommen wurde. In diesen Fällen gilt: Die Ehe hat rechtlich nie existiert.
Aufheben statt anullieren
Wer sich trennen will, kann seine Ehe in Deutschland nicht mehr „annullieren“. Nur in Ausnahmefällen kommt eine gerichtliche Aufhebung infrage – etwa bei Täuschung, Zwang oder Scheinabsichten. Für die meisten Paare bleibt die klassische Scheidung der einzige Weg.
Kirchliche Annullierungen betreffen dagegen allein das kirchliche Eherecht und haben keine zivilrechtliche Wirkung.
