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Wie Alkohol in der Schwangerschaft das Leben des Kindes beeinflusst

Ab und an mal ein Gläschen – das muss doch erlaubt sein, auch in der Schwangerschaft. So denken viele. Nach einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts aus dem vergangenen Jahr wissen nur 44 Prozent der Deutschen, dass werdende Mütter, die Alkohol trinken, bleibende Schäden bei ihrem Kind riskieren. In schweren Fällen leiden die Kinder am sogenannten Fetalen Alkoholsyndrom (FAS), einer lebenslangen Behinderung.

Betroffene sind nicht nur die Kinder – sondern auch die Personen, die sich um sie kümmern. Das sind häufig Pflegeeltern. An sie richtete sich die Fachtagung zum Thema FAS, die in der vergangenen Woche in der AWG-Geschäftsstelle in Anklam stattfand. Eingeladen hatte der Pflegeelternverein Patchwork, der seinen Sitz in Spantekow hat, gemeinsam mit der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes. Etwa 30 Pflegeeltern aus dem Landkreis waren gekommen – sowie Teilnehmer aus ganz MV und anderen Bundesländern.

Gerade in der Region sei es wichtig, über FAS aufzuklären, sagte Ines Walter, Vorsitzende von Patchwork. Alkoholismus sei ein großes Thema im Nordosten. Zudem gebe es in der Region wenig Ärzte, die sich gut mit dem Thema auskennen – und auch bei den Mitarbeitern des Jugendamtes und bei Richtern bestehe Informationsbedarf.

Referent an diesem Tag war der Berliner Arzt und FAS-Experte Hans-Ludwig Spohr. Er schätzt, dass etwa 3000 bis 4000 Kinder im Jahr mit FAS auf die Welt kommen. Genaue Zahlen zu nennen sei schwierig, denn viele Mütter verschweigen, dass sie während der Schwangerschaft getrunken haben. Oder sie
machen keine Angaben, weil sie denken, dass sie rechtzeitig aufgehört haben zu trinken, sagte Spohr.

Dies ist ein Grund, warum FAS häufig nicht diagnostiziert wird. Weitere Gründe nennt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung auf ihrer Webseite: „Die Diagnose FAS“, heißt es dort, werde „viel zu selten gestellt, da die professionellen Helfer im Gesundheitssystem Hemmungen haben, einen diesbezüglichen Verdacht auszusprechen, oder zu wenig über das Krankheitsbild informiert sind.“

Dabei ist schwere FAS in der Regel am Aussehen erkennbar. Die Kinder sind oft zu klein, haben kleine Augen und eine schmale Oberlippe. Der Abstand zwischen Nase und Mund ist länger als bei gesunden Kindern.

Etwa 10 000 Kinder im Jahr werden mit alkoholbedingten Schädigungen (FASD) geboren. Ihnen ist die Erkrankung nicht so deutlich anzusehen. „Aber die Folgen sind für sie oft genauso schlimm“, sagte Spohr.

Die Kinder zeigen Verhaltensaufälligkeiten, bekommen Probleme mit ihrem sozialen Umfeld. Sie haben Schwierigkeiten, sich zu kon-
zentrieren, leiden häufig an ADHS. Erkrankte werden laut Spohr häufiger alkoholabhängig und kriminell. Bisher gebe es keine auf FAS-Erkrankte zugeschnittene Therapie. „Die Therapie sind die Pflegeeltern“, sagte Spohr. Die erleben häufig eine böse Überraschung: „Das Kind wird ihnen als gesund vermittelt, dann stellt sich diese Diagnose heraus.“

So geht es auch einem Vater von zwei Pflegekindern, der zur Tagung nach Anklam gekommen ist. Vier und fünf Jahre sind die Kinder alt. Er vermutet, dass beide von FAS betroffen sind. Vor allem der Ältere verhalte sich auffällig: „Er hat Schwierigkeiten, bestimmten Situationen zu folgen, seine Aufnahmefähigkeit ist beschränkt. Ab einem bestimmten Punkt macht er völlig dicht. Ihm fehlt die Nervenstärke“, sagte der Mann, der anonym bleiben möchte. Er habe von allein den Verdacht geschöpft, dass es sich um FAS handeln könnte. „Ärzte haben erstaunlich wenig Erfahrung mit dem Thema“, sagte er. Und auch das Jugendamt rätsele, ob es sich doch um etwas anderes handeln könnte. Er möchte nun mit seinen Pflegekindern nach Berlin fahren, um sie von Hans-Ludwig Spohr untersuchen zu lassen. Der Mann stellt sich darauf ein, dass die Kinder viel Betreuung benötigen. „Das werden wohl keine Musterschüler.“ Doch er betont, dass es eine schöne Aufgabe ist, sich um diese Kinder zu kümmern.

FAS und FASD lassen sich verhindern – wenn die Mutter in der Schwangerschaft keinen Alkohol trinkt. „Wir können keine Grenze nennen, bis zu der Alkohol für das ungeborene Kind ungefährlich ist“, sagte Spohr. „Das bedeutet: Null Option für Alkohol in der Schwangerschaft.“

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