Derzeit gehört die Entfernung von Weisheitszähnen zu den häufigsten zahnmedizinischen Eingriffen überhaupt.
Rund eine Million Weisheitszahn-Operationen finden jedes Jahr in deutschen Praxen und Krankenhäusern statt.
Meistens treten Weisheitszähne erst dann bewusst in Erscheinung, wenn sie ihren „Durchbruch“ schaffen. Das heißt, sie stoßen durch das Zahnfleisch, bleiben aber meist hinter dem Wachstum der anderen Zähne zurück oder stehen schief. Häufig brechen sie bei Menschen im Erwachsenenalter durch, deshalb auch der Name Weisheitszähne. Seltener passiert es früher, etwa bei Teenagern. Bei anderen wiederum zeigen sich die Zähne nie und bleiben ein Leben lang unter dem Zahnfleisch verborgen.
Dennoch sollten sie dort regelmäßig beobachtet werden. Kommt es zum Durchbruch eines Weisheitszahns, muss das nicht zwangsläufig zum Problem werden. Es ist durchaus möglich, dass sich der Zahn problemlos in den Kiefer einfügt.
Voraussetzung ist, dass die Platzverhältnisse ausreichend sind. Ist dies nicht der Fall, sprechen Mediziner von einer Durchbruchsstörung: Die Entwicklung des Weisheitszahns verzögert sich oder ist wegen der beengten Platzverhältnisse gar nicht möglich.
Früher vermutete man, dass in einem solchen Fall die vorderen Zähne verschoben werden. Deshalb haben Mediziner Weisheitszähne bis vor einigen Jahren radikaler entfernt als heute. Wissenschaftliche Forschungen belegten aber nicht eindeutig, dass Weisheitszähne grundsätzlich zu einer Zahnverschiebung führen.
Man ist deshalb mittlerweile tendenziell vorsichtiger geworden, was ihre Entfernung angeht. Durchgebrochene Weisheitszähne werden in der Regel nicht umgehend gezogen, sondern erst einmal in ihrer weiteren Entwicklung beobachtet.
Denn jede Operation birgt Risiken. „Nerven der Zunge und des Unterkiefers können geschädigt werden, es kann zu Gefühls- oder Geschmacksstörungen kommen“, sagt Mediziner Kunkel, der die Leitlinien zur Behandlung von Weisheitszähnen mitherausgegeben hat. Gleichwohl sollten Patienten in bestimmten Situationen diese Risiken dennoch eingehen, also immer dann, wenn die Weisheitszähne Schmerzen bereiten, benachbarte Backenzähne oder deren Halteapparat beschädigen oder es ihretwegen zu unangenehmen Infektionen in der Mundhöhle kommt.
Manchmal werden nur ein oder zwei, manchmal direkt alle vier Weisheitszähne gezogen. Angst haben muss man vor der Operation aber nach gründlicher Aufklärung nicht: „Mit einer lokalen Betäubung ist das ohne Weiteres erträglich“, versichert Oesterreich. Nachbeschwerden können mit Kühlen und Schmerzmitteln behandelt werden. Meist ist man nach vier bis sieben Tagen wieder fit.
Der Weisheitszahn ist ein Auslaufmodell. Immer mehr Menschen werden geboren, bei denen die versteckten Beißerchen weit hinten im Mundraum nicht mehr angelegt sind. „Die Natur reagiert offenbar auf die veränderten Platzverhältnisse im Gebiss“, sagt der Stavenhagener Zahnarzt Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer in Berlin. Denn die menschliche Gesichtsform habe sich im Laufe der Evolution erheblich verändert. Das Resultat: Der Kiefer verkleinerte sich, heute ist für Weisheitszähne einfach kein Platz mehr da – und so entwickeln sie sich allmählich zurück.
Allerdings handelt es sich dabei nach Angaben von Oesterreich nur um einen Trend. Bis die Weisheitszähne endgültig aus dem menschlichen Gebiss verschwunden sind, wird es vermutlich noch eine Weile dauern.