Sie kamen als Herolde Christi, wie Papst Urban II. es wollte, und besetzten Ende des 11. Jahrhunderts die syrische Mittelmeerküste. Kreuzritterromantik begeistert, seit aus blutigem Ernst verklärte Geschichte geworden ist. Sie lebt in den alten Ordensburgen der Levante fort. Einst uneinnehmbarer als Adlerhorste, werden sie heute von Touristen gestürmt.
Eindrucksvollster Zeuge des damaligen Festungsbaus ist der Crac des Chevaliers, seit 2006 Nummer 1229 in der UNESCO-Welterbeliste. Bevor sich jeden Tag aufs Neue der Parkplatz vor dem Osttor mit Besucherbussen füllt, durchforsten Wissenschaftler die Kreuzfahrerburg. Gerade brachte das Team um Thomas Biller ein Buch über die Baugeschichte des Crac auf den deutschen Markt. Zahlreiche neue
Erkenntnisse überholen das bisherige Standardwerk aus der französischen Mandatszeit von 1934.
„Ein Bauwerk, das keineswegs nur Fachleute fasziniert“, meint der Experte aus Berlin, als wir zufällig seine Bekanntschaft machen.
Syrien sei zwar weit davon entfernt, Massentourismus anzuziehen. Aber der Crac gehöre fest ins Programm der Bildungs- und Kulturreisenden, die das geschichtsträchtige Land mit seinen über 300 hochkarätigen archäologischen Stätten anlockt. Auch für Kreuzfahrtschiffe, die bei Tartus ankern, ist die Burg im Hinterland der zweitgrößten syrischen Hafenstadt obligatorisches Ausflugsziel.
Aus Homs kommend, erreicht man den Crac nach etwa 60 Kilometern. Majestätisch erhebt er sich auf dem 755 Meter hohen Gipfel des Dschebel Khalil, dem südlichsten Ausläufer des Ansariye-Gebirges. Die Besichtigung der Burganlage führt durch Wehrgänge vorbei an Fallgittern und Schießscharten, Rittersaal und Wasserzisternen. Über breite Stufen gelangt man in die Oberburg, über Wendeltreppen in die Türme. Gut 2000 Soldaten fanden in der Festung Platz.
Spätestens der Anblick fünf Meter dicker Tore gibt eine Vorstellung, wie sie das von den Johannitern seit 1142 ausgebaute Bollwerk erfolgreich verteidigten. Erdbeben und Angriffen selbst namhafter Belagerer wie der Sultane Nureddin (1163) und Saladin (1188) hielt es stand. Erst 1271 konnte Baibars den Crac erobern, woran eine von zwei Löwen umrahmte arabische Inschrift erinnert. Der Mameluckensultan ließ die Kapelle, die im Unterschied zu den gotischen Fensterbogen noch stark romanische Züge trägt, in eine Moschee umwandeln. Das einzige Hotel in der Nähe trägt seinen Namen. Begonnen hatte die wechselvolle Burggeschichte mit dem Bau einer kleinen Festung, „Burg am Hang“ oder „Burg der Kurden“ (arabisch: akrad) genannt, weil der Emir von Homs hier 1031 eine kurdische Garnison stationierte. „Die Bezeichnung Crac ist umstritten“, sagt Biller. Sie könnte sich auch aus dem syrisch-aramäischen Wort für Festung ableiten. Die ständig wachsende Besucherzahl habe dem Baudenkmal bisher nicht geschadet. Auch das kleine Museum auf dem Berg störe nicht. Aber die Restaurants, die sich in den steileren Hang hineinducken, seien schon in bedrohliche Nähe gerückt. Was den Archäologen ein Dorn im Auge ist, begrüßen die Besucher. Schließlich bekommen sie hier eine Kostprobe der levantinischen Küche. Und das überwältigende Panorama von Burgfried und Zinnen aus bleibt unbeeinträchtigt.
Nur 35 Kilometer Luftlinie entfernt rauscht das Meer. Im Norden lässt sich der Gipfel eines Ausläufers der Alawiten-Bergkette erkennen. Ein Ausflug in die Alawitenberge führt in den grünsten Teil Syriens. Dort ist es ein Leichtes, mehrere Stunden durch schattige Gebirgswälder zu wandern. Ziel könnten neben der römischen Ruine Hosn Suleiman weitere Festungen der Kreuzfahrer sein. Wie schon der Crac ist auch die 1188 von Saladin eingenommene Saladinsburg auf ihre Art einmalig. Denn sie duckt sich 30 Kilometer östlich der Hafenstadt Lattakia auf einem von drei natürlichen Schluchten begrenzten Bergrücken. Die vierte wurde mühsam in den Fels gehauen.