Eigenbedarf – was bedeutet das für Mieter? Einfach rauswerfen darf der Vermieter sie nicht.
Zuverlässige Mieter sollen nicht ständig mit der Sorge leben müssen, vielleicht am nächsten Tag die Kündigung im Briefkasten zu haben. Vermieter dürfen deshalb in den meisten Fällen nur aus bestimmten, festgeschriebenen Gründen kündigen. Der wichtigste dieser Gründe ist Eigenbedarf.
Denn der Vermieter soll wiederum die Möglichkeit haben, in seinen eigenen vier Wänden zu leben oder vielleicht seine Eltern oder das erwachsene Kind einziehen zu lassen. Dieser Wunsch muss gut begründet sein.
Wo hat der Eigenbedarf seine Grenzen? Überall da, wo es mit der Begründung hakt. So ist etwa nicht ersichtlich, was eine alte Frau mit einer Wohnung im obersten Stock ohne Aufzug anfangen sollte. Mietern darf außerdem nicht gekündigt werden, wenn in dem Haus vergleichbare Wohnungen leer stehen oder der Vermieter nur vorübergehend einziehen will.
Bedingungen, die bei einer Eigenbedarfskündigung gelten
• Voraussetzung für eine wirksame Eigenbedarfskündigung ist, dass der Vermieter in seinem Kündigungsanschreiben die Person angibt, für die die Wohnung benötigt wird. Die Nennung des Namens ist nur dann nicht erforderlich, wenn der Mieter die entsprechende Person auch so ohne weiteres identifizieren kann. Der Vermieter muss nachvollziehbar begründen, warum gerade die betreffende Wohnung zu dem genannten Zeitpunkt gebraucht wird.
• Die Kündigungsfristen müssen gewahrt werden: Drei Monate sind es bei einer Mietdauer bis zu fünf Jahren. Bei einer Mietdauer bis zu acht Jahren haben Mieter sechs Monate Zeit bis zum Auszug. Bei einer Mietdauer von mehr als acht Jahren sind es neun Monate.
• Wurden Mietswohnungen in Eigentum umgewandelt, gibt es Kündigungsbeschränkungen. Der Vermieter darf je nach Gemeinde erst drei bis zehn Jahre nach Erwerb der Wohnung Eigenbedarf anmelden.
• Wenn das Ende des Mietverhältnisses den Mieter, seine Familie oder Angehörige unzumutbar hart treffen würde, ist es möglich, der Kündigung zu widersprechen. Mögliche Gründe sind zum Beispiel hohes Alter, Schwangerschaft, Schwerbehinderung oder schwere psychische Krankheit. Klare Richtlinien für solche sozialen Härtefälle gibt es aber nicht.
• Wer Widerspruch einlegen will, sollte Rat von einem Fachanwalt für Mietrecht einholen. In der Regel muss der Widerspruch spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgen.
• Stellt der ehemalige Mieter fest, dass die alte Wohnung wieder vermietet wird oder leer steht, stellt sich die Frage, ob tatsächlich Eigenbedarf bestand oder ob der Vermieter die Wohnung zu einem höheren Preis neu vermieten wollte. Das wäre rechtsmissbräuchlich. Kann ein vorgetäuschter Eigenbedarf rechtlich nachgewiesen werden, muss der Vermieter Schadenersatz zahlen. Dann können Mieter die für sie entstandenen Mehrkosten geltend
machen.
• Einfach rauswerfen kann der Vermieter seine Mieter nicht. Wenn sich die Mieter weigern auszuziehen, braucht der Vermieter erst einen Räumungstitel von einem Gericht. Das Gericht prüft, ob die Kündigung rechtskräftig ist. Doch Vorsicht: Bekommt der Vermieter Recht, muss der Mieter die Kosten des Verfahrens tragen.
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Wem muss der Mieter Platz machen?
Der Kreis der Personen, für die der Vermieter Eigenbedarf geltend machen darf, ist laut Mieterbund weit gefasst: Dazu gehören alle Angehörigen, die nach dem Gesetz ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich enge persönliche Bindungen zum Vermieter bestehen. Dazu gehören Eheleute, Lebenspartner, Verlobte und auch Verwandte bis zum dritten Grad oder Verschwägerte bis zum zweiten Grad.
So wurde eine Eigenbedarfskündigung nicht nur zugunsten der Eltern oder Kinder, sondern beispielsweise auch zugunsten des Neffen, des Enkels oder des Schwagers durch die Rechtsprechung für zulässig erklärt.
Entferntere Angehörige genießen dieses Privileg dem Bundesgerichtshof zufolge nicht, auch nicht bei einer engen persönlichen Bindung. Cousins zum Beispiel sind Verwandte vierten Grades.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass auch getrenntlebende oder geschiedene Ehegatten im mietrechtlichen Sinne derselben Familie angehören (Az.: VIII ZR 35/19). Ein Vermieter darf also auch für seinen Ex-Ehepartner Eigenbedarf geltend machen, und zwar unabhängig davon, ob die Ehegatten nur getrennt leben, ein Scheidungsantrag bereits eingereicht wurde oder die Scheidung schon vollzogen ist.
Gibt es einen Trick mit der GbR?
Eigenbedarf kann aber auch vorgeschoben sein, um Mieter loszuwerden. Um einen solchen Verdacht kümmern sich im Zweifel Richter. Wie im nachfolgenden Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH).
Er spielt im begehrten Münchner Altbauviertel Lehel, in einem Haus direkt an der Isar. Es gehört vier Investoren, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisiert sind. Sie haben sich 1991 zusammengetan, um das Gebäude zu sanieren und aus den Mietwohnungen Eigentumswohnungen zu machen. Unsaniert ist heute nur noch eine 166-Quadratmeter-Wohnung im dritten Stock. Die Eheleute wohnen dort seit 1985. 2013 bekamen sie die Kündigung – Eigenbedarf. Laut Schreiben möchte die Tochter eines der Gesellschafter mit Mann und Kind in die Wohnung. Das nehmen die Mieter den Eigentümern nicht ab. Sie blieben und ließen es auf die Räumungsklage ankommen.
Für die Karlsruher Richter ging es um eine sehr grundsätzliche Frage. Das Münchner Landgericht hatte sich schützend vor die Mieter gestellt – und damit offen gegen den BGH. Der hatte in zwei Urteilen von 2007 und 2011 eigentlich längst entschieden, dass auch die Gesellschafter einer GbR Eigenbedarf anmelden können. Erfolg hatte das am Ende nicht: Der zuständige BGH-Senat bleibt nach Prüfung seiner Linie treu. Die Interessenlage habe sich nicht verändert, heißt es zur Begründung.
Beim Mieterbund heißt es: „Niemand wird sich ernsthaft wundern dürfen, wenn die gekündigte Wohnung jetzt umfassend saniert und dann teuer verkauft wird.“ Nach den Beobachtungen der Mieterschützer werden Gesellschaften bürgerlichen Rechts vorrangig gegründet, um Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Betroffene Mieter haben zwar ein Vorkaufsrecht und sind, wenn jemand Anderes die Wohnung kauft, während einer mindestens dreijährigen Sperrfrist vor Kündigung sicher. Aber danach kann der neue Eigentümer aktiv werden.
Bundesweit fehlt bezahlbarer Mietraum, vor allem in großen Städten und Ballungsräumen. Deshalb kann der Eigenbedarf aus Profitgründen vorgetäuscht sein. Andere Eigentümer haben ein ganz legales Interesse: Sie wollen selbst nicht mehr teuer zur Miete wohnen müssen oder sind heilfroh, wenn sie Angehörige nach vergeblicher Suche endlich unterbringen können.