Es heißt, beim Aussehen seien die Geschmäcker verschieden, ja auf jeden Topf passe ein Deckel. Doch in den Hochglanz-Magazinen sehen die Modelle im Prinzip alle gleich aus: Die Männer haben breite Schultern und markante Gesichtszüge, die Damen beeindrucken mit 90-60-90-Statur und süßem Barbie-Antlitz. Gibt es also doch ein Schönheitsideal?
Die Wissenschaft ist davon überzeugt: „Im Grunde bevorzugen die Menschen über verschiedene Kulturen hinweg alle ein sehr ähnliches Muster“, sagt Professor Wulf Schiefenhövel, Humanethologe beim Max-Planck-Institut in Andechs.
Man mag dieses Verhalten eintönig nennen, doch dahinter steckt der Wille der Natur: „Über das äußere Erscheinungsbild finden seit eh und je Partnerwahl und sexuelle Selektion statt“, erklärt Schiefenhövel. Bestimmte Merkmale signalisieren gute Gene und damit besonders gute Fortpflanzungsbedingungen.
Beim Mann ist das etwa ein breites Kinn, das viel Testosteron und damit Durchsetzungskraft und Potenz anzeigt. Bei der Frau zeigt ein bestimmtes Verhältnis von Hüfte und Taille ein hohes Maß an Fruchtbarkeit an.
Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von Merkmalen, die beide Geschlechter attraktiv finden. „Als schön empfinden wir grundsätzlich einen gesunden, vitalen Körper“, erläutert Schiefenhövel. Dazu gehören eine straffe Haut und volles, kräftiges Haar. Auch der Körperanteil von Fett und Muskeln sowie symmetrische Gesichtszüge sind wichtige Kriterien. „All dies steht für gute Erbanlagen und erhöht die Chancen für gesunden Nachwuchs“, sagt Schiefenhövel.
Neben den biologischen Merkmalen haben allerdings auch kulturelle Faktoren einen Einfluss auf das Schönheitsideal. „Bei manchen Stämmen in Afrika und Südamerika sind beispielsweise Nasen- und Lippenpflöcke aus Holz oder Knochen populär“, sagt Schiefenhövel. In anderen indigenen Völkern scheren sich die Frauen die Köpfe kahl. Selbst in den Industriestaaten kann das Schönheitsideal zuweilen bizarre Formen annehmen.
Piercings und Tattoos sind solche kulturspezifischen Erscheinungsformen, die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen bekunden sollen. Sie folgen oft vorübergehenden Moden. Mit den Urinstinkten beziehungsweise biologischen Eigenschaften des Menschen haben sie nicht mehr viel zu tun. „Dieses Diktat der Mode kann so weit führen, dass kulturelle Vorlieben biopsychisch vorgegebene Schönheitsideale der Natur zurückdrängen“, erläutert Schiefelhövel.
Ein Beispiel sei der Trend zu spindeldürren Models in der westlichen Modewelt: „In anderen Teilen der Welt würde man diese quasi-pädophile Tendenz als ausgesprochen unattraktiv empfinden“, sagt der Wissenschaftler.